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Schweiz verliert an Einfluss in der UNO

Jean Ziegler, einer von vier Schweizer Experten im Dienst der UNO. Keystone

Die Rücktritte von Carla Del Ponte als UNO-Chefanklägerin und von Adolf Ogi als UNO-Sonderberater schwächen die Präsenz der Schweiz in den Vereinten Nationen.

Fünf Jahre nach ihrem Beitritt hat die Schweiz Mühe, sich bei der UNO Gehör zu verschaffen. Vier Schweizer Persönlichkeiten bleiben in ranghohen UNO-Posten tätig.

Neben Nicolas Michel, der von UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon als Rechtsberater in New York wiederernannt worden ist, sind drei Schweizer als Experten für die UNO im Dienst:

Walter Kälin, Sonderbeauftragter für Binnenvertriebene, Jean Zermatten, Vize-Präsident des Komitees für Kinderrechte, und Jean Ziegler. Das Mandat des Sonderberichterstatters für das Recht auf Nahrung läuft im März aus.

EDA unterstützt Ziegler

Die UNO-Experten-Mandate sind auf sechs Jahre beschränkt – der belgische Rechtsprofessor Olivier de Schütter schielt nun auf den Posten Zieglers.

Das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) würdigte in einer Publikation die Arbeit Zieglers und präsentierte die Kandidatur des umstrittenen Genfer Soziologen für eine Expertenstelle im Beratungsgremium des UNO-Menschenrechtsrats.

Das neue Organ soll die ehemalige Unterkommission für Menschenrechte ersetzen, muss aber vom UNO-Menschenrechtsrat erst noch offiziell geschaffen werden. Der Entscheid wird für Ende März erwartet.

Ziegler hat bei seiner Reise nach Kuba im November einige Kritik einstecken müssen. Zudem sind nur drei der insgesamt 18 Expertensitze für westliche Länder reserviert.

Kein Schweizer auf Chefposten

Die geringere Präsenz der Schweiz widerspiegelt sich in den UNO-Organisationen, wo keine einzige mehr von einem Schweizer geführt wird.

Walter Fust, der abtretende Leiter der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), unterlag bei der Kandidatur für die Leitung des Welternährungsprogramms (WFP) der Amerikanerin Josette Sheeran.

Nach dem erzwungenen Rücktritt von WIPO-Generaldirektor Kamil Idris wird im nächsten Jahr an der Spitze der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf ein Posten frei. Doch die Entwicklungsländer werden die Stelle vermutlich für sich beanspruchen.

Das EDA weist die Idee zurück, Bundesrätin Micheline Calmy-Rey könnte die Kanadierin Louise Arbour als UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte ablösen und dafür aus dem Bundesrat zurücktreten.
Arbour, die seit seit Juli 2004 im Amt ist, hat ihren Rücktritt noch nicht angekündigt.

Bescheidene Ernte

Auch bei internationalen Konferenzen hat die Schweiz kaum gepunktet. Die Tatsache, dass Calmy-Rey als Aussenministerin dieses Jahr auch Bundespräsidentin war, hat der Schweiz nicht geholfen.

Bern konnte keine einzige Konferenz an Land ziehen, während Paris mit der Libanon-, Darfur- und der Geberkonferenz für die Palästinenser gleich drei organisierte.

Die Verhandlungen zum Kosovo unter UNO-Vermittler Martti Ahtisaari wurden in der Nähe von Wien durchgeführt und nicht in Genf.

In Annapolis nicht erwünscht

Bei den Friedensmissionen sprach sich der Bundesrat 2006 gegen einen Einsatz der Schweiz in Libanon aus.

An die Nahost-Konferenz in Annapolis wurde die Schweiz im November dieses Jahres nicht einmal eingeladen, obwohl sie als Depositärstaat der Genfer Konventionen in dem Konflikt eine wichtige Rolle zu spielen hätte.

Auch bei den Vermittlungsbemühen im Atomstreit mit dem Iran scheint die Schweiz nicht überzeugt zu haben. Und ihre Ideen zur Reform des UNO-Sicherheitsrats in New York sind kaum vom Fleck gekommen.

Während sich das aussenpolitische Gewicht der EU verstärkt, bleibt die Schweiz als Aussenstehende isoliert und hat immer mehr Mühe, sich Gehör zu verschaffen.

Im Gegenzug haben zahlreiche andere Akteure auf der internationalen Bühne an Einfluss gewonnen, darunter auch Entwicklungsländer.


swissinfo und Blaise Lempen, sda

1945: Gründungsakt der Vereinten Nationen in San Francisco.
1946: Völkerbund wird aufgelöst; Völkerbunds-Palast in Genf wird Europasitz der UNO.
1986: Das Stimmvolk verwirft den UNO-Beitritt mit grosser Mehrheit (75%). Auch alle Kantone sagen Nein.
1998: Neue Beitritts-Initiative lanciert.
2002, 3. März: Volk und Stände sagen (knapp) ja zum UNO-Beitritt.
2002, 10. September: Die Schweiz wird als 190. Mitglied aufgenommen; seither weht am Hauptsitz am East River in New York auch die Schweizer Fahne.

Der UNO-Sicherheitsrat, auch Weltsicherheitsrat genannt, ist das mächtigste Organ der Vereinten Nationen.



Er hat gemäss Artikel 24 I der UN-Charta “die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit”.



Der Rat zählt 5 ständige Mitglieder (USA, Russland, China, Grossbritannien und Frankreich), die mit Vetorecht ausgestattet sind.



Dazu kommen 10 nichtständige Mitglieder, die jeweils von der UNO-Vollversammlung für 2 Jahre gewählt werden.



Als einziges UNO-Organ kann der Sicherheitsrat Sanktionen verhängen (von Wirtschaftsboykott bis zu militärischen Massnahmen).

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