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Trumps Medienkonferenz: “Schlechter Tag für die Demokratie”

Der neu gewählte US-Präsident Donald Trump hält an der Medienkonferenz in New York eine stündige Rede. Keystone

Donald Trumps turbulente erste Medienkonferenz als gewählter Präsident und nicht bewiesene Anschuldigungen gegen ihn deuten an, dass seine Präsidentschaft einen schlechten Start haben könnte. Das ist das Fazit mehrere Kommentare in Schweizer Zeitungen.

An der ersten Medienkonferenz seit den Wahlen vom 8. November 2016 und neun Tage vor seiner Vereidigung versuchte Trump, unbewiesene Geheimdienstberichte zu zerzausen, wonach Russland über kompromittierendes Material über den künftigen US-Präsidenten verfüge, das diesen für Erpressungen verletzlich mache.

Trump wies die Vorwürfe mit aller Härte zurück, beschuldigte den amerikanischen Geheimdienst, für das Informationsleck verantwortlich zu sein, und verglich die Angelegenheit mit Zuständen im “Dritten Reich”.

“Die Lügen von der Wahrheit entwirren”, titelt die Westschweizer Tageszeitung Le Temps in ihrem Kommentar. Sicher sei einzig, dass die Präsidentschaft von Donald Trump mit einem der schlechtesten Starts beginne.

Le Temps warnt vor wichtigen politischen Konsequenzen der neuen Episode. Zehn Tage vor der Amtsübernahme habe sie das politische Leben Amerikas vergiftet.

Wenn sich die Anschuldigungen als falsch erweisen, könnten im Geheimdienst Köpfe rollen. Aber falls sie substanziell sein sollten, “wird der Präsident in eine schwierige Situation geraten und ein Impeachment Verfahren riskieren”, schreibt die Westschweizer Zeitung.

Der Zürcher Tages-Anzeiger und der Berner Bund bezeichnen die Ereignisse vom Mittwoch als “schlechten Tag für die Demokratie”. “Die rekordtiefen Umfragewerte zeigen, dass der gewählte US-Präsident bereits angeschlagen ist. Und das ist nicht gut für Donald Trump, nicht gut für Amerika und nicht gut für den Rest der Welt”, schreiben die beiden Zeitungen.

Bundespräsidentin besorgt wegen Trumps Verhalten     

In einem Interview mit dem Westschweizer Radio RTS zeigte sich Bundespräsidentin Doris Leuthard besorgt über Donald Trumps Verhalten. Seine Arbeitsweise und insbesondere seine Kommentare auf Twitter seien heikel für einen Präsidenten, der die Lage reflektieren, analysieren und gute internationale Beziehungen gewährleisten sollte.

“Wir werden sehen, ob er seinen politischen Stil ändert und sich ein wenig beruhigt, oder ob er seine Funktion tatsächlich auf diese Art und Weise wahrnehmen wird.” Laut der Bundespräsidentin braucht es Vertrauen in den Gesprächen. Der Kommunikationsstil sei nicht ideal und könnte zu einem Vertrauensverlust und Verunsicherungen führen, umso mehr als die USA in zahlreichen Sektoren eine wichtige Rolle spielten, sowohl in der Wirtschaft wie in globalen Konflikten.     

Raffinierter Schwindler

Die Tribune de Genève kommentiert Trumps Politstil und dessen Kunst, den Fragen an der Medienkonferenz auszuweichen. Das sei eine Kopie dessen gewesen, was er als Präsidentschaftskandidat getan habe.

Trump sei einmal mehr wegen seiner Beziehungen zu Russland befragt worden. Aber dieser habe das Terrain für seine erste Medienkonferenz seit Juli 2016 vorbereitet. Er veröffentlichte einen äusserst kritischen Tweet gegen seinen eigenen Geheimdienst, in dem er fragte, ob die Amerikaner in Nazi-Deutschland lebten.

“Sobald er auf dem Podium steht, vervielfacht der neue Präsident seine Übertreibungen, theatralischen Aussagen und Attacken gegen die Medien, wiederholt diesen Vergleich zwischen den USA und Nazi-Deutschland, verdreht Fragen nach seinen Beziehungen mit Russland.”

Während der Medienkonferenz gelobte Trump erneut, mit Mexiko Verhandlungen über die Errichtung einer Grenzmauer aufzunehmen. Er werde auch einen Plan zur Aufhebung und Ersetzung der Gesundheitsreform von Barack Obama vorlegen. Und der neue Präsident beschrieb, wie er seine neue Funktion von seinen globalen Geschäftstätigkeiten trennen werde, um Interessenkonflikte zu verhindern.

Aber für die Tribune de Genève war die Medienkonferenz ein Weg, heikle Fragen zu verhindern und sich direkt an seine Anhänger zu wenden”, insbesondere mit Kommentaren wie: “Ich sagte, dass ich der grösste Job-Produzent sein werde, den Gott je geschaffen hat, und ich meine es auch.”

Schweizer “Chancen”

Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) geht in ihrem Leitartikel auf die “Chancen für die Schweiz in Trumps neuer Weltunordnung” ein. “Der neue Isolationismus in den USA, die Sinnkrise Europas und das Erstarken der Schwellenländer verändern die Ausgangslage für die schweizerische Aussenpolitik – nicht nur zum Schlechten.”

Die Schweizer Diplomatie blicke unruhigen Zeiten entgegen. “Der Amtsantritt Donald Trumps nächste Woche wird für die Weltpolitik eine Zäsur bedeuten, auch wenn nur einem Bruchteil seiner AnkündigungenExterner Link Taten folgen sollten.”

Wendigkeit gefragt

Was Trump aussenpolitisch erreichen wolle, bleibe zwar vorerst ein Geheimnis. Mit seinem russischen Amtskollegen Putin gehe er auf Schmusekurs, gratuliere den Briten zum EU-Austritt, relativiere die Bedeutung der Nato und twittere gegen die Chinesen.

“Absehbar ist, dass die Welt unter dem neuen amerikanischen Präsidenten krisenanfälliger, unvorhersehbarer und multipolarer wird”, warnt die NZZ. Die Gefahr sei gross, aus Trumps scheinbar erratischer Kommunikation voreilige Schlüsse zu ziehen. “Doch auf einige Trends kann man sich heute schon einstellen. Ein volatileres internationales System erfordert eine im besten Sinne opportunistische Aussenpolitik.” Gefragt seien “Wendigkeit und noch mehr Tänze auf allen Hochzeiten”.

Wenn die Spannungen zwischen den USA, Europa, Russland und China zunehmen, könnte die Schweizer Diplomatie als Vermittlerin gefragt sein.

Was fehle, sei ein direkter Draht ins Weisse Haus beziehungsweise in den Trump Tower. “Immerhin konnte im Dezember mithilfe einer ehemaligen US-Botschafterin ein Telefongespräch zwischen Trump und Bundespräsident Johann Schneider-Ammann arrangiert werden. Der neue Präsident soll sich vor allem für die Schweizer Zuwanderungspolitik interessiert haben – immerhin ein erster Anknüpfungspunkt.” Trump könnte sich aber auch für den Sonderweg der Schweizer abseits von EU und Nato oder für die direkte Demokratie interessieren, schreibt die NZZ.

(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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