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Von Deutschland bis Costa Rica, der Wahlkampf kennt keine Grenzen

© Keystone / Christian Beutler

Gegen 180'000 Auslandschweizerinnen und -schweizer sind in einem Stimmregister eingetragen. Die Schweizer Diaspora hat damit ein politisches Gewicht, das dem eines mittelgrossen Kantons entspricht. Einen Monat vor den nationalen Wahlen schärfen die Parteien ihre Argumente, um diese potenziellen Wähler und Wählerinnen auf der ganzen Welt zu mobilisieren. Ein Überblick.

Mit mehr als 400 Mitgliedern hat die SVP die grösste internationale SektionExterner Link aller Parteien. Und sogar vier lokale Sektionen: In Südafrika, Spanien, Costa Rica und Côte d’Ivoire. “Wir wollen vor allem denjenigen Auslandschweizern eine Stimme geben, die sich von der EU-fokussierten Auslandschweizer-Organisation zu wenig vertreten fühlen”, erklärt Aliki Panayides, Pressesprecherin der SVP.

Wählen aus dem Ausland, eine Gebrauchsanweisung

Alle Schweizer und Schweizerinnen im Ausland, die in einem Stimmregister eingetragen sind, können bei den Wahlen vom 20. Oktober 2019 ihre Nationalrätinnen und Nationalräte wählen.

Zwölf Kantone – Bern, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Freiburg, Genf, Graubünden, Jura, Neuenburg, Solothurn, Schwyz, Tessin und Zürich – erlauben ihren Stimmberechtigten im Ausland auch, ihre Ständerätinnen oder Ständeräte (Kantonsabgeordnete) zu wählen.

Bevor sie an Wahlen und Abstimmungen in der Schweiz teilnehmen können, müssen Personen, die nicht in einem Stimmregister eingetragen sind, ein Antragsformular für die Ausübung ihrer politischen RechteExterner Link ausfüllen.

Diesen Herbst tritt die grösste Partei des Landes in drei Kantonen – Graubünden, Luzern und Basel-Landschaft – mit Auslandschweizer-Listen zu den Wahlen an.

Im Kanton Graubünden setzte die SVP International den ehemaligen Skirennfahrer Paul Accola an die Spitze der Liste, obschon dieser in Davos lebt.

Ein Entscheid, den die Partei damit begründet, Accola habe “die Schweiz während mehr als 18 Jahren als professioneller Skifahrer im Ausland vertreten”. Vor allem dürfte damit aber die Sichtbarkeit der Liste erhöht werden.

Andere Kandidaten und Kandidatinnen aus der Diaspora treten auf den “einheimischen” Listen der SVP in den Kantonen Zürich, Genf, Solothurn und St. Gallen an. Insgesamt präsentiert die Partei 17 Kandidierende aus dem Ausland für die Nationalratswahlen.

Auf internationaler Ebene unterscheiden sich die Wahlkampfthemen nicht wesentlich von denen, welche die nationalkonservative Partei in der Schweiz in den Vordergrund stellt. “Letztlich geht es darum, die Werte zu erhalten, welche die Heimat der Auslandschweizer zu dem gemacht haben, was sie ist”, sagt Panayides.

Die Erleichterung der Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen und der Zugang zu grundlegenden Bankdienstleistungen gehören zu den Prioritäten der SVP International. Für ihren Wahlkampf ausserhalb der Landesgrenzen setzt die Partei vor allem auf die Verbreitung von gezielter Werbung über soziale Netzwerke.

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150 Mitglieder, 26 Ableger im Ausland, 30 Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahlen im Oktober, spezifische Listen in den Kantonen Bern, Freiburg, Luzern und Genf: Die Sozialdemokratische Partei räumt ihrer Präsenz in der Welt grossen Stellenwert ein. Als erste Partei hatte sie es 2015 geschafft, dass einer ihrer Diaspora-Kandidaten, der ehemalige Botschafter Tim Guldimann, in den Nationalrat gewählt wurde.

“Auslandschweizer und -schweizerinnen haben berechtigte politische, soziale und kulturelle Anliegen. Diese müssen endlich ernst genommen werden. Ein aktiver Wahlkampf in der Fünften Schweiz hilft, diese Anliegen in den kommenden vier Jahren aktiv in die Schweizer Politik einzubringen”, erklärt Peter Hug, Internationaler Sekretär der SP.

Etwas prosaischer gesagt, setzt die SP auch auf ihre internationalen Listen, um wertvolle Stimmen zu gewinnen. “Die paar Hundert Stimmen waren z.B. in Genf 2015 für die Wahl von SP-Nationalrat Manuel Tornare ausschlaggebend”, sagt Hug.

Zum Wahlkampf im Ausland gehören vor allem das Verteilen von 8000 Flugblättern an Mitglieder der Fünften Schweiz und die Organisation von Wahlabenden in verschiedenen europäischen Städten. Sowie gezielte Botschaften an die Adresse der Auslandschweizerinnen und -schweizer über das Internet und soziale Netzwerke.

Im Mai 2019 etablierte die SP InternationalExterner Link mit Blick auf die Eidgenössischen Wahlen ihr eigenes WahlmanifestExterner Link in zehn Punkten. Die Verteidigung der Personenfreizügigkeit und einer offenen Schweiz, die Stärkung der politischen Rechte der Fünften Schweiz, der Ausbau der konsularischen Dienste und die Beibehaltung von Bankbeziehungen zur Schweiz nehmen dabei grossen Stellenwert ein.

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Im Gegensatz zu SVP und SP tritt die FDP.Die Liberalen InternationalExterner Link diesen Herbst nicht mit “eigenen” Kandidaten oder Kandidatinnen zu den Wahlen an. “Wir halten die Strategie der SP und SVP für opportunistisch, da die Auslandschweizer nur Listenstimmen generieren. Es sind leider oft reine Alibi-Kandidaten”, erklärt ihr Präsident Roger Kölbener.

Die FDP International unterstützt aber in allen Kantonen Kandidatinnen und Kandidaten, die sich für die Interessen der Fünften Schweiz engagieren und sich mit dem WahlmanifestExterner Link der Internationalen Sektion einverstanden erklären.

“Oberste Priorität” haben für die FDP International die Verteidigung des bilateralen Weges und die Unterzeichnung eines Rahmenabkommens mit der EU. Zudem engagiert sie sich entschlossen für die elektronische Stimmabgabe. Die internationale Sektion der rechtsliberalen Partei setzt sich im weiteren ein für “realistische und liberale” Lösungen, was die konsularischen Dienste, Sozialversicherungen und Bankbeziehungen mit der Schweiz angeht.

Als “digitale Partei” stützt die FDP International den Grossteil ihrer Wahlkampf-Kampagne auf ihre eigene Website, sowie auf Facebook und Twitter. Daneben haben Vertreterinnen und Vertreter der Partei auch Veranstaltungen von Schweizer Clubs in Italien und Frankreich besucht.

“Ausserdem können unsere Mitglieder an den Anlässen der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) und Liberal International in Europa und weltweit teilnehmen. Für uns ist es wichtig, das Engagement für und mit der Fünften Schweiz zusammen mit internationaler Vernetzung unserer Partei zu denken”, unterstreicht Kölbener.

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Auch die CVP hat eine eigene internationale SektionExterner Link, mit dem Tessiner Ständerat Filippo Lombardi als Präsident. Der Tessiner ist zudem Vizepräsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO) und engagiert sich seit vielen Jahren für die Interessen der Fünften Schweiz. Die Grundlage für die Verabschiedung des Auslandschweizer-Gesetzes durch das Parlament 2014 geht zu einem grossen Teil auf Lombardis Bemühungen zurück.

Mit Blick auf die Wahlen im Herbst legte die CVP International ein Positionspapier in neun Punkten vor. Zu den vorgeschlagenen Massnahmen gehören die Einführung der elektronischen Stimmabgabe, das Streben nach Abschluss von Sozialversicherungs-Abkommen mit möglichst vielen Staaten, die Stärkung der Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Regionen sowie die Unterzeichnung von Freihandels-Abkommen. Die Wahlkampfbotschaft wird vor allem über soziale Netzwerke verbreitet.

Im Tessin legt die CVP für die Nationalratswahlen eine Wahlliste mit sieben Kandidaten aus dem Ausland vor. Vier davon leben in Italien, einer in Grossbritannien, einer in den USA und einer in Venezuela.

In Genf hingegen tritt die CVP – anders als bei den kantonalen Wahlen 2018 – ohne Kandidat aus dem Ausland an. “Wir haben dennoch eng mit der internationalen Sektion der CVP Schweiz zusammengearbeitet, um ihr Programm zu verwirklichen”, erklärt Paolo Lupo, Präsident der Genfer Vereinigung “Genevois sans frontières” (Genfer ohne Grenzen), einer Sektion der CVP, welche die Interessen von fast 40’000 Schweizerinnen und Schweizern vertritt, die im benachbarten Frankreich leben.

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Gemäss dem letzten Wahlbarometer der SRG liegen die Grünen in der Gunst der Wählerinnen und Wähler der Fünften Schweiz an erster Stelle (23% der Stimmen). Dies obschon die Partei keine spezifische Botschaft an die Adresse der Auslandschweizerinnen und -schweizer entwickelte, sondern einfach auf die Klimadebatte setzt, die seit Anfang dieses Jahres eine globale Dimension erreicht hat.

“Unsere Kampagne mit Blick auf die Eidgenössischen Wahlen hat drei Schwerpunkte: Klimaschutz, Gleichberechtigung von Mann und Frau und Kampf gegen Rechtspopulismus. Diese Themen sind auch für die Schweizerinnen und Schweizer im Ausland wichtig”, erklärt Gaëlle Lapique, Politische Sekretärin der Grünen.

Aufgrund “begrenzter Ressourcen” haben die Grünen keine internationale Sektion. In Genf präsentiert die Öko-Partei aber dennoch eine Unterliste mit fünf Kandidierenden, die nicht im Kanton leben. Diese “Verts transfrontaliers”Externer Link (Grüne Grenzgänger) wollen die Interessen des Grossraums Genf (Grand Genève) vertreten und ihren Mitbürgerinnen und -bürgern aufzeigen, dass das Leben nicht an der Grenze endet. Und in Zürich tritt eine Schweizerin, die in Berlin lebt, auf der Liste der Jungen Grünen an.

Dass sie keine Kampagne haben, die sich spezifisch an die Fünfte Schweiz richtet, hindert die Grünen nicht daran, sich für Themen zu engagieren, welche Auslandschweizerinnen und -schweizer direkt betreffen.

Sie zielen insbesondere darauf ab, die internationale Mobilität der Schweizer Bevölkerung zu gewährleisten und die internationale Präsenz der Schweiz zu stärken. Auch wenn die Grünen der elektronischen Stimmabgabe skeptisch gegenüberstehen mögen, befürworten sie eine bessere Vertretung der Fünften Schweiz im Parlament sowie die Aufrechterhaltung eines angemessenen Netzwerks von Konsulaten und Botschaften.

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Auch die Grünliberale ParteiExterner Link profitiert von der Klimadebatte: Sie lag gemäss den Wahlabsichten von Wählerinnen und Wählern der Diaspora auf 10%, wie das letzte Wahlbarometer der SRG zeigte.

Die vor knapp 12 Jahren gegründete Partei hat keine internationale Sektion. Im Kanton Luzern legt sie dennoch eine Liste mit fünf Kandidierenden vor, die im Ausland leben. Auch im Kanton Zürich finden sich zwei Kandidierende aus der Fünften Schweiz auf den GLP-Listen.

Mit ihren begrenzten Finanzmitteln setzen die Grünliberalen im Wahlkampf auf eine digitale Kampagne, um ihre Botschaft innerhalb und ausserhalb der Landesgrenzen zu vermitteln. “Das ist natürlich auch von Vorteil, um die Auslandschweizerinnen und -schweizer zu erreichen”, erklärt GLP-Generalsekretär Michael Köpfli.

Als Verfechterinnen und Verfechter einer “offenen, mit der Welt vernetzten Schweiz” engagieren sich die Grünliberalen in vier Punkten, die Auslandschweizerinnen und -schweizer besonders betreffen: Die Entwicklung der bilateralen Abkommen mit der EU, die Suche nach Lösungen im Bereich Sozialversicherungen, die Beibehaltung von Bankbeziehungen mit der Schweiz und die Vereinfachung des Stimm- und Wahlrechts für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland.

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Kontaktieren Sie den Autoren dieses Artikels auf Twitter: @samueljabergExterner Link

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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