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Die Fondue-Story

Was! Schon Homer soll das Fondue gekannt haben!! ecu.edu/foreign

Wenns bindet, verbindets: das Fondue. Als Gericht und Ritual habe es mehr zur Integration der Landesteile beigetragen als das Militär, vermutet der Volkskundler Theo Ruff.

Gewonnen hat Ruff diese Einsicht in jungen Jahren, als er im Kreis von Studierenden in einer Zürcher Pinte vaudoise sein erstes Fondue kostete. Gleichsam als “Offenbarung” erlebte Ruff – so schreibt er 1998 im Ausstellungskatalog “Swiss, made” – die identitätsstiftende Wirkung des Gerichts, “von dem man sagen kann, dass es Westschweiz und Deutschschweiz verbindet.”

Grosse Worte für ein höchst profanes Essen, das weder besonderer Zutaten noch ausgeprägter Kochkünste bedarf. Was dem Fondue den Stempel der Exklusivität aufdrückt, ist lediglich der Umstand, dass es eine Gruppe Hungriger um denselben Essnapf – sprich Caquelon – versammelt.

Zusammen mit Schwarztee, Weisswein und Kirsch, die dazu getrunken werden, sorgt das soziale Ritual für jene Gemütlichkeit, die ein Fondue-Essen sprichwörtlich gemacht hat.

Aufstieg zum Nationalgericht

Fondue, ein Schweizer Nationalgericht? Sinn macht diese Zuschreibung in politisch schwieriger Zeit. Denn für die Stärkung des Wir-Gefühls ist die Nahrung – so Theo Ruff – ein ideales Medium. Die Werbegeschichte des Fondues belegt diese These, wie eine Broschüre des Milchwirtschaftlichen Museums in Kiesen BE aus dem Jahr 1994 eindrücklich vor Augen führt.

Zum Nationalgericht hochstilisiert wurde das Fondue nach Hitlers Macht-Ergreifung. Den Stein ins Rollen brachte Henri Tanner, der Werbechef der grossen Genfer Molkerei, der Laiteries Réunies.

Als Tanner spürte, dass sich die Schweiz unter dem Eindruck der Bedrohung auf sich selber zu besinnen begann, führte er 1934 in Genf die “Semaine de la bonne humeur” durch. Dabei stellte er, selbstredend am steigenden Käseabsatz interessiert, die Gemütlichkeit des Fondues in den Vordergrund.

In der Romandie war das Gericht damals durchaus bekannt. Erst jetzt aber wurde es als helvetisches Mahl entdeckt: Fondue boomte. In besagter Festwoche gingen 40’000 Kilo mehr Käse über die Genfer Ladentische als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. Damit nicht genug: Selbst an der Weltausstellung in New York von 1939/1940 kochte die Schweiz Fondue. “Das Caquelon war” – so die Ausstellungsbroschüre – “drauf und dran, die Welt zu erobern.”

Soldatenmahlzeit

Dabei war das Potential im eigenen Land noch lange nicht ausgeschöpft. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich die Gemütlichkeit auch in der Armee ein Plätzchen zu erobern wusste, indem sich die Soldaten in Rekrutenschulen und Wiederholungskursen nach Kampfbahn, Schiessplatz und Innerem Dienst zum gemeinsamen Käseschmelzen zusammensetzen konnten, stieg das Fondue auf zum “Nationalgericht”.

Die zunehmende Beliebtheit wusste sich der Luzerner Käsedetaillist Walter Bachmann zu nutzen: Auf seine Anregung hin schlossen Käsekollegen, die Käseunion, die Weinproduzenten, die Caquelonfabrikanten eine heilige, weil Gewinn bringende Allianz und lancierten eine gemeinsame Fondue-Werbung. Sie gipfelte in der vielfach gedruckten Broschüre “Der Weg zum vollkommenen Fondue”.

Zur gleichen Zeit brannte die von der Käseunion beauftragte Zürcher Werbeagentur Gisler+Gisler den Slogan “Fondue isch guet und git e gueti Luune”, kurz “FIGUGEGL”, in die Köpfe der Deutschschweizer Käse- und Gemütlichkeits-Fans. Und 1992, im Zuge der einsetzenden Globalisierung und just in dem Jahr, als das Schweizer Skiteam erstmals als löchrige Käsestücke die Pisten runterflitzte, wechselte die Werbung von Schweizerdeutsch auf Englisch und behauptete fortan schlicht “Fondue – Swiss made”.

Rührei mit Käse

Wo aber wurde das erste Fondue angerührt? In Genf oder Neuenburg, im Waadtland oder im Wallis? Darüber herrscht grosse Unsicherheit. Doch nicht nur darüber. Selbst die Frage, ob es sich beim Fondue tatsächlich um eine urschweizerische Spezialität wie Schokolade oder das Matterhorn handelt, lässt sich mit Blick in einschlägige Werke nicht eindeutig beantworten.

Denn einerseits besingt der alte Grieche Homer im 8. Jahrhundert vor Christus ein fondueähnliches Gericht in seiner “Ilias”, die er im ionischen Kleinasien, weit weg also von urschweizerischen Gefilden gedichtet hat. Anderseits weiss die historische Bilderschrift “Asterix bei den Schweizern” glaubhaft zu erzählen, dass das Fondue spätestens seit den Römern zum festen Bestandteil schweizerischen Brauchtums geworden ist.

Unterstützung erhält diese Schrift vom französischen Schriftsteller und Gastronomen Anthelme Brillat-Savarin (1755- 1826). Er schreibt in seiner humor- und geistvollen Theorie “Physiologie du goût”: “Die Fondues stammen aus der Schweiz und sind im Grunde genommen Rührei mit Käse.”

Andere Forschungen wiederum finden den Ursprung des Fondues nicht in der Schweiz, sondern in den französischen Savoyer Alpen, von wo es dann in die Westschweiz gelangt sein soll.

Wie auch immer: Anerkanntermassen ist das in unzähligen regionalen Variationen gekochte Gericht mit der traditionellen Milchwirtschaft des Alpenraums verbunden. Das zeigen ähnliche Rezepturen wie zum Beispiel die Fonduta und Bagna Cauda aus dem italienischen Piemont.

swissinfo und Karl Wüst, sfd

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